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Was passiert mit den letzten Frequenzen für Radio und TV?

Warum die Regierung auf unsere Infrastruktur aufpassen muss. Gastkommentar von Michael Wagenhofer in der Presse

Mag. Michael Wagenhofer ist Geschäftsführer der ORS Group und Sprecher der Frequenz-Allianz Österreich.

Der terrestrische Rundfunk – dazu gehören das Antennenfernsehen sowie UKW-und digitales DAB-plus-Radio – hat sich in all den Krisen der jüngsten Zeit als systemrelevant erwiesen, bei der Informationsvermittlung ebenso wie bei der Wahrung der Meinungsvielfalt. Der terrestrische Rundfunk hat aber auch seine Wandlungsfähigkeit unter Beweis gestellt: Beim Antennenfernsehen wurde die Programmvielfalt enorm gesteigert, der nahtlose Übergang vom analogen ins digitale und hochauflösende TV-Zeitalter wurde vollzogen und innovative digitale Übertragungslösungen wurden entsprechend den geänderten mobilen Konsumgewohnheiten bei Bewegtbildern etabliert. Dazu braucht es jedoch stabile Rahmenbedingungen. Genau darum geht es bei der Weltfunkkonferenz 2023, bei der die zukünftige Nutzung der bewährten Rundfunk- und Kulturfrequenzen im UHF-Spektrum verhandelt wird. Das 800-MHz- und 700-MHz-Frequenzband wurde für den Mobilfunk anstandslos geräumt. Das Frequenzspektrum im Bereich von 470 bis 694 MHz ist jedoch die letzte verbliebene Grundlage für den Rundfunk. Noch bis 2030 ist die primäre Nutzung seitens der Europäischen Union gesichert, die darüber hinausreichende Widmung soll bei der Weltfunkkonferenz entschieden werden.


Beginn einer neuen TV-Ära?


Das mag nach einer langen Zeitspanne klingen, reicht für die Planung und Refinanzierung von Zukunftstechnologien bei der Rundfunkübertragung wie 5G-Broadcast jedoch nicht aus. Das hat einen umso bittereren Beigeschmack, als das Antennenfernsehen mit 5G-Broadcast am Beginn einer neuen TV-Ära steht, die eine vom Programmanbieter bis zum Endkunden gewinnbringende Koexistenz von Mobil- und Rundfunk ermöglicht, und die ORF-Tochter ORS federführend in die Definition, Erprobung und gerade beginnende Markteinführung dieses Standards involviert war. Ohne die Erhaltung des UHF-Bandes für den Rundfunk über 2030 hinaus wäre diese Erfolgsgeschichte somit bereits zu Ende, bevor sie richtig begonnen hat.


Neben dem terrestrischen Fernsehen ist auch die Zukunft des Radios sowie des Kunst- und Kulturbetriebs untrennbar an die Nutzung des UHF-Spektrums geknüpft. Funkmikrofone und zahlreiche weitere drahtlose Geräte in der Medienproduktion, bei Konzertveranstaltungen sowie auf Theater- und Kulturbühnen funktionieren ausschließlich in diesem Frequenzbereich. Damit entscheidet die Politik nicht nur über die zukünftige Frequenznutzung, sondern vielmehr über das Schicksal ganzer Branchen und Wirtschaftszweige. Kein Wunder, dass sich TV-, Radio- und Kulturveranstalter in ganz Europa gegen eine Verwässerung ihrer letzten Frequenzressourcen massiv wehren.


Unverzichtbar für Demokratie


Bei der künftigen Widmung des UHF-Spektrums muss außerdem bedacht werden, dass die unabhängige und faktenbasierte Information unverzichtbar für die Demokratie und auch die Sicherheit der Bevölkerung ist. Doch nur wenn die Infrastruktursouveränität weiterhin gewährleistet ist, können terrestrisches Fernsehen und Radio auch in Zukunft als verlässlicher Verbreitungsweg fungieren.


Gerade in Hinblick auf Krisen und Katastrophenfälle wie die Covid-Pandemie oder den Ukraine-Krieg gilt es daher, die Hoheit über das entsprechende Sendernetz sicherzustellen und nicht in die Hände von Gatekeepern oder profitorientierten Telekomunternehmen zu legen.


Download: Gastkommentar von Michael Wagenhofer in der Presse vom 8. Juni 2022


Die-Presse-Gastkommentar-Wagenhofer-2022_0607
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